Montag, 23.11.2020
BREITSCHEIDS PFLEGESTATION WÄCHST UND WÄCHST
BREITSCHEID – Ein Maschinenschlosser und ein Gas- und Wasserinstallateur haben mehr mit der Breitscheider Gemeindepflegestation zu tun, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Hinter diesen beiden Berufen verbergen sich die beiden bisherigen Pflegedienstleiter Bernd-Joachim Weyel und Nikolai Fast. Weyel hatte das Amt von der Gründung im Jahr 1980 bis 2009 inne, auf ihn folgte Fast. Mit dem Umzug aus dem Rathaus in das Gesundheitszentrum wird eine neue Epoche dieser Dienstleistung eingeläutet, denn dort ist die Tagespflege als neuer Geschäftszweig hinzugekommen.
“Altbürgermeister Siggi Dechert hatte die Idee”, erinnert sich Bernd-Joachim Weyel an die Anfänge, bei denen der inzwischen verstorbene Rathauschef die treibende Kraft war. Dechert legte Wert auf einen Bindestrich in der Bezeichnung der Gemeinde-Pflegestation, um das “Gemeinde” hervorzuheben und damit zu zeigen, dass die Kommune hinter dem Projekt steht. Bei seinem Amtsantritt am 1. Januar 1978 habe sich die Situation der ambulanten Pflege als unbefriedigend dargestellt, sagte Dechert vor 20 Jahren.
Das mit der Pflegestation habe “ganz langsam angefangen”, erinnert sich Weyel, der nach sechs Jahren als Maschinenschlosser in der damaligen Psychiatrie in Herborn zum Krankenpfleger ausgebildet wurde.
Nachdem in den 1960er Jahren die letzte Gemeindeschwester in Breitscheid aufgehört hatte und etwa 15 Jahre lang in der Westerwaldgemeinde nichts passierte, startete Bernd-Joachim Weyel die Arbeit, zunächst unter der Trägerschaft lokaler Kirchengemeinden, alleine. “Ich hatte zehn bis 15 Pflegefälle”, erinnert er sich an die Anfänge seiner Arbeit. “Das war nicht damit getan, mal ‘Guten Tag’ zu sagen”, blickt er auf die Zeit zurück. Damit verbunden waren nicht nur positive Erinnerungen: “Bei über 600 Sterbefällen habe ich aufgehört zu zählen.”
Weil die Arbeiten immer intensiver wurden und auch die Wochenenden abgedeckt werden mussten, erhielt er dann Unterstützung von “Schwester Evi”. Dahinter verbirgt sich Evi Behlke, die nicht nur Weyels Stellvertreterin wurde, sondern die später auch Nikolai Fast vertrat.
Am 1. Juli 1993 ist die Station dann in die Trägerschaft der Gemeinde übergegangen. Bürgermeister Dechert, der auch schon vorher im Hintergrund viele Fäden gezogen hatte, war jetzt offiziell Weyels Chef. Der damalige Pflegedienstleiter, der in einem kleinen Zimmer im Haus arbeitete und der alles noch handschriftlich dokumentieren musste, ärgert sich noch heute über eine Überschrift in der Tageszeitung: “Gemeindepflegestation arbeitet defizitär.”
Das habe damals auch daran gelegen, dass die eine oder andere Rechnung nicht aus dem Haus ging. “Wir können von denen nichts fordern, die nichts haben”, lautete Siegfried Decherts Devise. “Das war damals persönlicher”, blickt Weyel auf die Anfänge und auf eine große Anerkennung in der Bevölkerung zurück. Die Gemeindepflegestation, für die es im nördlichen Kreisgebiet keine vergleichbare Einrichtung gibt, wurde mit der Übernahme durch die Kommune von Räumen im Rathaus aus betrieben.
Im Jahr 2001 leistete dann der Gas- und Wasserinstallateur Nikolai Fast in der Pflegestation seinen Zivildienst ab. Die Arbeit begeisterte ihn so, dass er blieb, in Herborn eine Fachausbildung machte und sich danach zum Pflegedienstleiter ausbilden ließ. Im Frühjahr 2009 übernahm er den Posten von Bernd-Joachim Weyel. Inzwischen hatte der Chef gewechselt, doch auch für Dechert-Nachfolger Roland Lay war dieses Angebot eine Herzensangelegenheit.
Nikolai Fast spricht von einem inzwischen “mittelständischen Unternehmen”. Im Jahr 2000 wurden rund 50 Patienten durch sieben Vollzeitstellen und zehn Aushilfskräfte besetzt, diese Zahlen auf rund 20 Mitarbeiter und etwa 120 Patienten gestiegen. Dazu kommen rund 160 Beratungspatienten mit Pflegestufe, die zwar von Angehörigen betreut werden, je nach Pflegegrad aber zwei- bis viermal im Jahr durch eine Fachkraft beraten werden müssen. “Die kommen über kurz oder lang zu uns”, ist diese Beratung laut Pflegedienstleiter oft eine Vorstufe für eine spätere Intensivbetreuung. 2015 wurde das Angebot um die hauswirtschaftliche Leistung erweitert.
Gründung des Fördervereins ist wichtiger Meilenstein
Ein wichtiger Meilenstein für die Gemeindepflegestation war im Jahr 2005 die Gründung eines Fördervereins, bei dem aktuell Werner Kolb den Vorsitz hat. Etwa 150 000 Euro seien in 15 Jahren geflossen. “Der Verein hat viele Fahrzeuge finanziert”, berichtet Nikolai Fast, der derzeit auf sieben Pkw zurückgreifen kann, von denen einer vom Förderverein “spendiert” wurde. Bernd-Joachim Weyel erinnert sich noch an seinen ersten Wagen: “Das war ein Mitsubishi – vor Ort gekauft bei einem Händler aus der Gemeinde wie alle anderen Autos später auch.”
Im 41. Jahr ist die Gemeindepflegestation aus dem Rathaus ins Gesundheitszentrum umgezogen. Hier ist das “mittelständische Unternehmen” noch um die Tagespflege gewachsen. Nikolai Fast ist in Personalunion Heimleiter und Geschäftsführer.
Auch wenn beide Einrichtungen formal getrennt sind, arbeiten sie im ersten Stück des Ende August eingeweihten Gesundheitszentrums Tür an Tür mit fünf weiteren Kräften. “Wir sind ein Team”, macht Nikolai Fast aber klar, dass beide Angebote durch “offene Türen” miteinander verbunden sind.
Quelle: Dill-Zeitung